Sonntag, 15. Juni 2008

HEUTE BEGINNT DER REST DEINES LEBENS

Wir aßen bei mir zu Hause. Es gab rosa gebratene Rumpsteaks mit Zwiebeln, Bratkartoffel und einem wunderbaren Tomatensalat.
„Hm“ machte mein Freund Maitre immer wieder,
„hm, wie das schmeckt! Weltklasse Columbo, wirklich Weltklasse. Wie kriegst du so etwas immer wieder hin?“
„Vor ein paar Jahren als ich an der Weinstrasse Besuch machte, hat mir ein guter Koch erklärt, wie man so etwas zubereitet“, sagte ich.
„Na dann verrate mir das doch auch, “ meinte Maitre.
„Wie Bratkartoffel gemacht werden brauche ich dir ja nicht zu erklären und in Sachen Salat bist du auch absolut fit, also kommen wir gleicht zu den Steaks mit Zwiebeln und das geht relativ einfach.
Zunächst holst du die Rumpsteaks dort wo du weißt dass sie eine gute Qualität haben, das ist schon mal die halbe Miete.
So und dann brauchst du zwei Pfannen.
In der Einen machst du zuerst die Zwiebeln. Pro Steak nimmst du zwei mittelgroße, schneidest sie in Ringe und brätst sie kurz an. Sie sollen goldgelb sein, nicht zu dunkel, sonst schmecken sie bitter. Dann würzt du sie mit Pfeffer und Salz, löschst sie mit etwas Wasser, ab und lässt das Ganze etwas zehn Minuten köcheln.
Kurz bevor die Zeit um ist brätst du in der zweiten Pfanne die Rumpsteaks in heißem Fett von jeder Seite eine Minute an, an dass sie schön knusprig braun sind. Dann raus aus der Pfanne
und zu den Zwiebeln geben. Jetzt erst würzen und zwei Minuten in dem Zwiebelsud ziehen lassen.
In der Zwischenzeit schüttest du aus der Rumpsteakpfanne das Fett ab und löschst den Bratensatz mit etwas Sahne und Wein ab, gießt ihn zu Fleisch und Zwiebeln, fertig ist der ganze Zauber.“
„Das schmeckt ja butterzart, absolut butterzart“ schwärmte Maitre.
„Ja und was noch wichtig ist“, erwähnte ich, „die Teller müssen gut vorgewärmt sein, sonst kühlt die ganze Herrlichkeit schnell wieder ab, das ist dann weniger schön!“
„Und natürlich den unverschämt guten Rotwein nicht zu vergessen, den du mir heute kredenzt“, meinte Maitre.
„Aber ja doch“ sagte ich, „er ist ein Dornfelder auf Zimmertemperatur, oder auch eine Spur kühler, nur natürlich nicht kalt.“
Wir waren schon bei der zweiten Flasche und es sollte nicht die Letzte sein an diesem schönen Abend. Es war noch angenehm warm, so dass man gut bis in die Nacht draußen auf der Terrasse sitzen konnte. Unsere Frauen waren bei einem Geburtstag, also konnten wir ungestört philosophieren, denn die beiden Damen halten nicht sehr viel von „diesem Kram“ wie sie es nennen. Na ja, muss ja auch nicht jeder mögen.
„Weißt du“, sagte ich zu Maitre, “ gemessen an der Zeit wo wir noch nicht waren und wie lange wir tot sein werden, ist unser Leben verdammt kurz, das fällt mir immer dann ein, wenn es mir mal wieder so richtig gut geht.“
„Ja du hast Recht“, antwortete er, „irgendwann wird die Sonne ohne uns aufgehen, es wird Herbst und Winter werden, der Frühling zieht wieder ins Land, es folgt ein warmer Sommer und wir sind nicht mehr dabei.“
„Sind wir uns dieser Tatsache bewusst, oder gebärden wir uns am Ende so als würden wir ewig leben?“ fragte ich.
„Jetzt sei doch bitte so gut und iß nicht so schnell, ich verspreche dir, auch wenn es mir noch so gut schmeckt, ich esse es dir nicht weg“ sagte mein Freund.
„Damit fängt es an“ sprach er weiter, „wir sollten uns nur mit dem befassen was wir im Moment gerade tun. Und wenn du isst Columbo dann isst du und willst nicht schon wieder satt sein wenn du gerade begonnen hast!“
„Ja ich weiß Maitre du hast Recht, aber mal was anderes: Lohnt es sich vor dem Hintergrund unserer Vergänglichkeit das Leben ernst zu nehmen?“
„Diese Frage muß natürlich jeder für sich selbst beantworten“ hielt mir Maitre entgegnen“ und wenn jemand sagt: „Gerade deswegen weil das Leben viel zu kurz ist, will ich jeden Augenblick ernst nehmen, um meine Zeit nicht zu vergeuden, hätte ich vor einer solchen Behauptung großen Respekt, denn sie trifft im Kern auch meine Überzeugung.“
„Allerdings“ fuhr er fort, „gibt es Dinge die nehme ich überhaupt nicht ernst.“
„Die da wären?“ fragte ich.
„Jetzt willst du es wieder genau wissen“, bemerkte er spöttisch.
„Darf ich dir mit einer Gegenfrage antworten Colombo?“
„Ja“
Er nahm zunächst einen Schluck Kognak, welchen ich gerade mit einem Espresso serviert hatte und fragte:
„Was möchtest du eigentlich nicht mehr so ernst nehmen?“
„Gute Frage“, antwortete ich und überlegte. Viele Dinge kamen mir in den Sinn, mitunter welche die mir sogar peinlich waren, aber ich sprach sie trotzdem aus:
„ Am allermeisten möchte ich mich selbst loslassen Maitre, mich in meiner Wirkung auf andere nicht mehr wichtig nehmen. Viel zu sehr denke ich darüber nach was andere von mir halten könnten, ob ich auch einen guten Eindruck mache usw. Ich möchte von der Sehnsucht loskommen, dass man mich anerkennt, schätzt und vielleicht sogar insgeheim bewundert.“
„Aha“ bemerkte mein Freund „ und du glaubst das könntest du so einfach ablegen wie ein verschwitztes Hemd?“
„Ja ich weiß darum, aber ich kriege es nicht los.
Und dann bin ich auch viel zu anfällig für kritische Worte, so empfindlich und wahnsinnig schnell verletzt, selbst wenn einer eine Bemerkung machte, welche er so dramatisch gar nicht gemeint hat.“
„Ach nein, was du nicht sagst“, ulkte Maitre. „Das hätte ich jetzt gar nicht gewusst.“
„Verspotte mich nur“ sagte ich, „ nicht alle sind so gelassen wie du. Tagelang gehen mir bestimmte Bewerkungen nicht aus dem Kopf!“
„Denk an die rosa Elefanten Columbo. Du kannst nicht Nicht-Denken-Wollen. Deine Gedanken denken sich von alleine und machen dich fertig, was?“
„Das kann man wohl sagen“, stöhnte ich.
„Du spielst auf die Bemerkung an von James? fragte Maitre.
„Genau. Was bildet der sich denn eigentlich ein?“ wollte ich wissen.
„Eines solltest du erkennen“ meinte Maitre. „Solche Mitmenschen haben Probleme mit sich selbst, also verdienen sie in erster Linie Nachsicht. Sie haben schlicht und ergreifend Minderwertigkeitskomplexe.
Es muß irgendetwas schief gelaufen sein in ihrer Geschichte und deswegen wollen sie sich entweder beweißen, oder rechtfertigen, bzw. sich in irgendeiner Form in den Vordergrund spielen, auf sich aufmerksam machen usw.
Unangenehmer wird es wenn sie permanent versuchen andere zu belehren, zum Besten geben was sie alles wissen und sich damit in Verbindung schier ins Koma reden.
Hast du denn nicht beobachtet wie die anderen sich verhalten haben. Manche haben bei James Monologen doch geschaut wie im Butterfass ertränkt?
Wer wirklich etwas drauf hat, empfindet es überhaupt nicht für notwendig sich wichtig zu machen und bemüht sich um Einfachheit.“
„Hm“ meinte ich, „das mag wohl so sein.“
„Also dann lass ihn“ sagte Maitre, „er ist wie er ist. Am besten du lässt ihn sich leer reden, irgendwann hört er wieder auf. Und denke daran, Toleranz war noch nie seine Stärke, aber dann solltest du eben tolerant sein und ihn einfach loslassen.“
„Und du denkst dass ich so meine Empfindlichkeit verliere?“ fragte ich.
„Das weiß ich nicht“ antwortete er. „Aber“ sprach er weiter, „kannst du deine Empfindlichkeit sehen, ohne dich mit ihr zu identifizieren?“
„Und wie soll das nun wieder gehen?“ wollte ich wissen.
„ Versuchs mal so, dass du dich einfach neben dich stellst und wie einen Fremden beobachtest.“
Der hat vielleicht Nerven, dachte ich, denn gerade das ist ja mein Problem. Irgendwie habe ich so etwas wie Angst vor meinen eigenen Gedanken.
Als hätte er meine Überlegungen erraten sagte Maitre: „Das Fegefeuer finden manchmal im eigenen Kopf statt, nicht wahr?“
„Oh ja“ antwortete ich, „da ist was dran.“
„Aber ich kann dich beruhigen“ sagte mein Freund, alleine schon dass du dir deiner tatsächlichen, oder vermeintlichen Probleme bewusst bist, ist der erste Schritt dich davon zu lösen.
„Gefahr erkannt Gefahr gebannt?“ fragte ich.
„So könnte es sein Colombo.“
Wir müssen dann beide eingeschlafen sein und ich wurde durch ein helles Kichern geweckt. Unsere Damen waren zurück.
„Da liegen sie unsere Philosophen und schlafen den Schlaf der Gerechten“, sagte die Eine. Und die Andere: „Schau mal die vielen leeren Flaschen, die haben ihre Sorgen mal wieder in Rotwein ertränkt.“
Auch Maitre wachte nun auf und seufzte als er unsere Frauen sah: „Oh je die Realität hat uns wieder eingeholt!“
„Aber denk daran, sagte ich, „heute beginnt der Rest unseres Lebens.“

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