FREUDE

Lange Zeit schon, brennt mir ein Thema unter den Nägeln, weswegen ich es gerne mit Maitre diskutieren wollte. Immer wieder werde ich damit konfrontiert, im Kollegenkreis beispielsweise. Kürzlich hatten wir ein Wochenendmeeting, jeder hatte ein Thema, unter anderem auch positives Denken.
Schon interessant was da alles dabei herauskam.
„Was hältst du eigentlich vom Positiven Denken Maitre?“ Wollte ich wissen.
„Was ich davon halte,“ sagte er und sah mich mit gerunzelter Stirn an, „also wenn du mich so fragst, eigentlich nicht sonderlich viel, zumindest nicht mit der Art und Weise wie diese Sache kommuniziert wird. Wobei es sicherlich grundsätzlich gut ist positiv zu denken, aber was diese so genannten Persönlichkeitstrainer daraus machen, kommt mir recht aufgesetzt vor. Aber trotzdem, “ sprach er weiter, „auch wenn es nicht meine Sache ist, es würde mich interessieren wie du dieses Thema definierst, bzw. was heißt es für dich? Wenn du morgen ein durch und durch positiver Mensch wärst, was wäre dann anders? Wodurch würdest du das erkennen?“
„Hm, gute Frage, “ meinte ich und dachte nach… lange dachte ich nach… „ Ja, ich wäre einfach nicht mehr so lustlos und ohne Lebensfreude!“
„Jetzt hast du aber nicht meine Frage beantwortet“ sagte Maitre.
„Wieso?“ fragte ich. „Du hast mir gesagt wie du nicht mehr sein möchtest, aber nicht wie du anders wärst und woran man das erkennen würde, “ sagte er.
„Aber das ist doch spitzfindig Maitre.“
„So, meinst du?“ antwortete er und lächelte, „wenn ich mir sage dass ich gerne nicht mehr so lustlos wäre und nicht mehr so ohne Lebensfreude, dann erinnere ich mich immer wieder an meine Lebensunlust, dann wird mein ganzes Denken davon in Anspruch genommen und ich sehe immer nur Unlust, wohin ich auch schaue.“
„Aber so ist es doch“ meinte ich, mein Leben ist meist freudlos!“
„Eben drum, “ sagte mein Freund, „weil du nicht mehr so freudlos sein willst, wirst du immer freudloser!“
„Aber das ist doch Schwachsinn Maitre, reine Wortklauberei!“
„Das glaubst du?“ erwiderte er, „dann machen wir doch jetzt mal ein kleines Experiment: Denke mal fünf Minuten nicht an weiße Mäuse, mache die Augen zu, ich schaue auf die Uhr, wir reden nichts und du darfst nicht an weiße Mäuse denken.“
Also gut, dachte ich, jetzt schließe ich die Augen und denke eben nicht an weiße Mäuse. Und dann kamen sie schon, kleine strahlend weiße Mäuschen wuselten vor meinem geistigen Auge herum, es wurden immer mehr, sie hatten auch noch rote Augen: „Geht doch weg“ sprach ich innerlich, „los weg mit euch, ich darf doch gar nicht an weiße Mäuse denken.“
Doch sie störten sich nicht an meinen Gedanken, sie wuselten und wuselten, ich habe noch nie im meinem Leben so viele weiße Mäuse auf einem Haufen gesehen.
„ Na hat’s geklappt?“ fragte Maitre lachend. „hast du sie gezählt die weißen Mäuse?“
„Was man nicht mehr denken will verstärkt man durch diesen Versuch, das wolltest du mir doch zeigen, stimmt´s?“
„Stimmt auffallend“ sagte er.
„Und so ist es auch mit deiner Freudlosigkeit, so ist es mit allen Gedanken die negativ sind: Versuch doch mal wenn du ärgerlich, oder wütend bist die Gedanken daran zu verdrängen, dann wirst du auch noch wütend darüber dass du wütend bist.
Oder wenn du dich im Kontakt unsicher fühlst, dann nutzt es dir nichts wenn du dir vornimmst nicht mehr so unsicher zu sein, das macht dich höchstens noch unsicherer!“
„Dann muss ich mich mit meiner Freudlosigkeit, meinen negativen Gedanken, meiner Wut, meinem Ärger und mit meiner Unsicherheit einfach abfinden, Maitre, das ist doch aber sehr trostlos.“
„Aber das ist der Punkt Columbo. Es ist eben nicht trostlos. Nach meiner Ansicht gehören diese Dinge auch zum Leben und mir ist noch niemand begegnet der vollkommen frei ist davon. Ich bin sogar der Ansicht dass diese Tatsache ein Zeichen von seelischer Gesundheit ist, von echter Positivität, die aus der Tiefe kommt.
Und diese hat nichts mit diesem aufgesetzten Think Positiv zu tun, welches die Businesstrainer uns gerne vermitteln wollen.“
Das musste ich jetzt erst mal verarbeiten und im Grunde war es mir unangenehm dass mir ein anderer immer erst die Augen öffnen muss. Als hätte er meine Gedanken erraten sagte Maitre: „ Eines muss ich aber klarstellen: Ich sage dir meine Meinung, nicht mehr und nicht weniger und ich erhebe keinen Anspruch, dass das was ich dir sage richtig ist, es sind lediglich meine Überzeugungen und diese können für andere überhaupt nicht von Bedeutung sein. Dein Guru kann und will ich nicht sein, auch nicht dein Ratgeber, oder Couch.
Auch ich habe lange damit aufgehört jemanden um Rat zu fragen. Früher tat ich das, aber eines Tage fiel es mir wie Schuppen vor den Augen, nämlich dass dir keiner wirklich helfen kann. Man kann sich vielleicht inspirieren lassen und es ist interessant wie andere Menschen ihr Leben gestalten, auch habe ich nichts dagegen wenn mir jemand, von dem ich weiß dass er ähnliche Situationen erlebt hat, einen Tipp gibt, warum nicht. Aber der Einzige der dir einen wirklich guten Rat geben kann bist du selbst. Du bist dein bester Ratgeber. Entdecke den Guru in dir selber. Stelle dir die entsprechenden Fragen und gib deinem Geist und deiner Seele Zeit die Antworten darauf zu finden, und du wirst sie finden. Dann schreibe sie dir auf und versuche sie zu leben. Korrigiere, verwerfe, finde neue Ansätze und überprüfe sie wieder und wieder auf ihre Funktionalität, aber frage nicht mich, das ist es was ich dir immer wieder sagen möchte zu unseren Gesprächen.
Wir sollten jetzt vielleicht auch mal diesbezüglich eine längere Pause mache. Komm, lass uns doch ein wenig am See spazieren gehen, jetzt haben wir Mai uns es gibt sicherlich viele schöne Dinge zu sehen.

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